Kunstmuseum Stuttgart: „Wolfgang Laib. The Beginning of Something Else“

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Wolfgang Laib. The Beginning of Something Else
17. Juni – 5. November 2023
Kunstmuseum Stuttgart

Kunstmuseum Stuttgart: „Wolfgang Laib. The Beginning of Something Else“

Bereits seit Ende der 1970er-Jahre stellt der Künstler Wolfgang Laib Fragen an unser Sein und Handeln als Teil fragiler Lebensräume und könnte darin nicht aktueller sein. Seine feinsinnigen Werke entstehen im unmittelbaren Austausch mit der Natur und im Einklang mit den Jahreszeiten. Sei es das Sammeln des Blütenstaubs für seine minimalistischen, leuchtend gelben Bodenarbeiten oder die zeitaufwendige Bearbeitung seiner Skulpturen aus Bienenwachs – der Respekt gegenüber und die Teilhabe an der Natur sind die treibenden Kräfte des Künstlers. Die Natur ist der Ausgangspunkt für seine Werke, aus ihr gewinnt er seine Ideen.

Wolfgang Laib, der 1950 in Metzingen geboren wurde, hat seit über dreißig Jahren seinen Lebensmittelpunkt in der Nähe von Biberach in Baden-Württemberg. Als Künstler agiert er hingegen global und hat ein Atelier in New York sowie einen Zweitwohnsitz in Südindien. Bereits in frühen Jahren unternimmt Laib zahlreiche Reisen, auf denen er fernöstliche Kulturen und Philosophien kennenlernte. Dass diese einen tiefen Eindruck bei ihm hinterlassen haben, ist in seinen Werken deutlich spürbar. In ihrer reduzierten Formensprache und der Vertiefung in wenige Materialien laden sie zu einer entschleunigten Wahrnehmung ein, die Körper und Geist gleichermaßen anspricht. In Laibs Werken klingt nach, dass sie im Resonanzraum einer ganzheitlichen Lebens- und Weltauffassung entstanden sind, in der der Mensch Teil eines größeren Ganzen ist.

Bienenwachs, Milch, Blütenstaub, Reis und Marmor – diese natürlichen Materialien verwendet Laib vorranging für seine Kunst und variiert sie in einer Reihe konzentrierter Werkgruppen. Zu seinen bekanntesten zählen Wachsräume, Blütenstaubfelder, Reishäuser, Wachshäuser, Milchsteine, Zeichnungen und Fotografien. Besucher:innen des Kunstmuseums Stuttgart dürfte das Werk Wolfgang Laibs bekannt sein, denn er ist mit neunzehn Arbeiten im Sammlungsbestand vertreten – darunter raumfüllende Werke wie Zikkurat (2001) und der seit 2005 dauerhaft installierte Wachsraum (1989) im Untergeschoss des Museums. Weltweit gibt es nur sieben dieser mit Bienenwachsplatten ausgekleideten Räume, die ein visuelles und olfaktorisches Erlebnis ermöglichen.

Wolfgang Laib
Blütenstaub von Haselnuss (Detail), 2013
Haselnusspollen
Installationsansicht: Museum of Modern Art, Atrium,
New York, 2013
© Wolfgang Laib / Foto: Carolyn Laib

Ausstellung
In der gemeinsam mit Wolfgang Laib entwickelten Ausstellung zeigt das Kunstmuseum Stuttgart Arbeiten der wichtigsten Werkgruppen aus sämtlichen Schaffensphasen. Die Auswahl und Platzierung der Werke erfolgte unter besonderer Berücksichtigung der spezifischen Gegebenheiten der Museumsarchitektur. Denn Laibs Kunst lebt vom Kontext. Ihr volles Potenzial entfalten seine Arbeiten erst im wechselseitigen Austausch und Zusammenspiel mit den Orten und Räumen, in denen sie gezeigt werden. Verteilt über die drei Ebenen des Kubus sind sie in ihrer visuellen Vielfalt verschieden, bilden ihrem Wesen nach jedoch zusammen eine Einheit, ein harmonisches Gesamtkunstwerk, das situativ erschlossen werden kann.

Zu sehen sind in der Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart Reishäuser, Reismahlzeiten, eine Zikkurat und zwei Treppen in burmesischem Lack gefasst, Wachshäuser und ein Milchstein (1993); zudem die raumgreifende Installation Not here (1996) sowie Zeichnungen und Fotografien, die der Künstler auf Reisen angefertigt hat. Die Ausstellung beginnt, anders als üblich, auf der dritten Ebene des Kubus. In dem weitläufigen, ungewohnt offenen Ausstellungsraum wurden vom Künstler tausende Reisberge in einer scheinbar endlosen Gitterstruktur angeordnet. Erstmals in einer musealen Ausstellung gezeigt werden die Türme des Schweigens (2019–2022), die auf der zweiten Ebene den Ausstellungsrundgang fortführen. Die Gestalt der aus Bienenwachs gefertigten Skulpturen ist sakralen Architekturen entlehnt, die den Zoroastriern – den Anhänger:innen der Religion Zarathustras – als Stätten für Himmelsbestattungen dienen. Im zentralen hohen Raum des Kubus hat Wolfgang Laib ein Blütenstaubfeld von Kieferpollen angelegt. Für diese Bodenarbeit sammelte der Künstler über Wochen hinweg Blütenpollen. Am Ausstellungsort siebt er den feinen Stoff deckend auf den Boden zu einem leuchtend gelben Pollenteppich. Der Blick von oben, den die Museumsarchitektur hier erlaubt, gestattet eine neue, einzigartige Wahrnehmung dieser wohl bekanntesten Serie Laibs.

Film
Begleitend zur Ausstellung entstand ein dokumentarischer Film über Wolfgang Laib, der ab dem 20. Juli 2023 im Kunstmuseum Stuttgart zu sehen sein wird. Die insbesondere für ihre Künstlerporträts und Kulturdokumentationen bekannte Filmemacherin Maria Anna Tappeiner begleitete den Künstler gemeinsam mit einem Filmteam zwölf Monate bei seiner Arbeit. Dabei ist der Wechsel der Jahreszeiten ebenso entscheidend wie der von Laibs Wohn- und Arbeitsstätten in Oberschwaben und Südindien. Das vom Museum angestoßene Filmprojekt beleuchtet nicht nur die Entwicklung und Entstehung seiner Werke, sondern fängt die für das künstlerische Schaffen Wolfgang Laibs relevanten Lebensbereiche ein.

Buch
Im Hirmer Verlag erscheint zur Ausstellung ein reich bebildertes »Lesebuch«, das einen ungewöhnlichen Zugang zum Werk von Wolfgang Laib ermöglicht. Der Künstler führt darin all jene Texte und Fotos zusammen, die für sein Leben und Denken von besonderer Bedeutung sind – und deshalb auch in seinem künstlerischen Schaffen Widerhall finden. Darunter sind etwa Passagen aus dem Gilgamesch-Epos, ein Gedicht über den buddhistischen Mönch Bodhidharma oder Zitate des Philosophen Friedrich Nietzsche und der US-amerikanischen Künstlerin Agnes Martin. Ergänzt und begleitet wird das geschriebene Wort von Fotos, die Laib auf seinen vielen Reisen machte, in Büchern entdeckt oder als Postkarten gesammelt hat.

Kuratorinnen Ulrike Groos, Anne Vieth
Wissenschaftliche Assistenz Alina Grehl

Quelle / Mehr Infos:
Stiftung Kunstmuseum Stuttgart gGmbH
kunstmuseum-stuttgart.de

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