Das Schauspiel Stuttgart 2023/24 „Erinnerung an die Zukunft“

#schauspielstuttgart

Das Schauspiel Stuttgart 2023/24 „Erinnerung an die Zukunft“

Am 14. Juni 2023 stellten Schauspielintendant Burkhard C. Kosminski und Chefdramaturg Ingoh Brux in der John Cranko Schule das Programm für die kommende Spielzeit 2023/24 vor. Auf dem Spielplan stehen 16 Neuproduktionen, davon sechs Uraufführungen und drei Kooperationsprojekte, eins mit der Staatsoper Stuttgart und je eins mit den Hochschulen in Stuttgart und Ludwigsburg. Darüber hinaus führt Harald Schmidt seine Spielplananalyse weiter.

Eröffnet wird die Saison 2023/24 am 15. September im Kammertheater mit Der Weg zurück von Dennis Kelly in der Regie von Selma Spahić, im Schauspielhaus am 22. September mit William Shakespeares Was ihr wollt, inszeniert von Burkhard C. Kosminski. Neue Texte, die in Stuttgart uraufgeführt werden, haben die internationalen Autoren Simon Stephens und Joshua Sobol sowie Nis-Momme Stockmann und Björn SC Deigner geschrieben. Mit Daniela Löffner, Herbert Fritsch und Andreas Kriegenburg stellen wir dem Stuttgarter Publikum neue Regiehandschriften vor. Bereits bekannte internationale Regisseur:innen wie Oliver Frljić und Viktor Bodó inszenieren erneut im Schauspielhaus. Die ukrainischen Autor:innen Luda Tymoshenko und Maryna Smilianets bleiben auch in der kommenden Spielzeit Artists in Residence und werden weitere Projekte mit dem Schauspiel Stuttgart realisieren.

Zwei Schauspieler kommen zur Spielzeit 2023/24 neu ins Ensemble: Tim Bülow hat Schauspiel am Mozarteum in Salzburg studiert. Bereits vor und während seines Studiums wirkte er in verschiedenen Kino- und Fernsehproduktionen mit, darunter ein Stuttgarter Tatort. Auch Felix Jordan war bereits vor und während seines Schauspielstudiums an der Filmuniversität Babelsberg in mehreren Fernsehproduktionen zu sehen. Außerdem arbeitet Die Spielzeit 2023/24 steht unter dem Motto ERINNERUNG AN DIE ZUKUNFT. „Die Zukunft war früher auch besser“, spottete schon Karl Valentin über die Sehnsucht nach der Welt von gestern. Angesichts unserer krisenhaften Gegenwart scheint der Blick in die Zukunft vor allem von Ängsten und Resignation geprägt. Sah die Zukunft früher tatsächlich rosiger aus als heute? Trügt die Erinnerung? Die Politiker der selbsternannten Zukunftskoalition versprechen, mehr Zukunft zu wagen. Aber zwischen Rückbesinnung auf das Bewährte und innovationsgetriebenem Fortschrittsglauben scheint vielen der offene Blick nach vorne verstellt zu sein. Gibt es einen Mangel an Zukunft? Gerade das Theater mit seinen Möglichkeitsräumen erlaubt es, Zukunftserzählungen spielerisch zu antizipieren und die großen, mitunter gescheiterten Zukunftsvisionen der Vergangenheit neu zu betrachten. In diesem Sinn blicken die klassischen und zeitgenössischen Texte, Uraufführungen und Stückentwicklungen unseres Spielplans auf eine zukünftige Welt zwischen Dystopie und Zuversicht.

Was passiert, wenn sich der Glaube an den Fortschritt durch Technik in Ablehnung verwandelt, wenn Wissen eine Qual und Nichtwissen ein Segen ist, und die Gesellschaft ihr Heil in der Regression sucht, beschreibt Dennis Kelly in seinem Zukunftsszenario Der Weg zurück. Der Versuch, sich von den Zumutungen moderner Technologien zu befreien, endet in einer archaisch fundamentalistischen Steinzeitgesellschaft. Das Stück gleicht einem Fernrohr, mit dem die Probleme des Planeten in einer nicht allzu fernen Zukunft sichtbar werden. Was will die Jugend? Nicht nur ein Recht auf Hoffnung, sondern eine Zukunftsperspektive. In Zeit wie im Fieber erkundet Björn SC Deigner die Wirksamkeit von gesellschaftlichem Protest mit einem gegenwärtigen Blick auf das Werk des Sozialrevolutionärs Georg Büchner. Ist eine Revolution im Geiste Büchners heute noch denkbar? Wie schnell der Traum von Freiheit und Gerechtigkeit, von der „goldʼnen Zukunftszeit“ scheitern kann, davon erzählt George Orwell in seiner satirischen Fabel Farm der Tiere. Auch Goethes Zauberlehrling probt einen zukünftigen Aufstand. In ihrem neuen Musical Der Zauberlehrling interpretieren Marthe Meinhold und Marius Schötz die Ballade vom Meister und einer Jugend, die ihre „Zauberformel“ für die Zukunft noch finden muss, als Konflikt zwischen den Generationen. Während Elfriede Jelinek in Sonne / Luft die Natur selbst zu Wort kommen lässt, um den Zustand der Welt zu beklagen, schmiedet der ehemalige Bankdirektor und Bankrotteur John Gabriel Borkman bei Henrik Ibsen weiterhin Pläne, um diese auszubeuten. Wem gehört die Zukunft?

Auch in Stuttgart herrscht Treibhausklima. Vor diesem Panorama erzählt Simon Stephensʼ Ein dunkles, dunkles, dunkles Blau von einem Liebespaar, das sich voneinander verabschiedet, von Eltern, die ihre Kinder schmerzlich vermissen und von Geschwistern, die sich entfremden: psychologische Momentaufnahmen einer Welt zwischen Zuversicht und Zukunftslosigkeit. Der israelische Autor Joshua Sobol findet in seiner generationenübergreifenden Familiensaga Der große Wind der Zeit die Vision einer Friedenslösung im Nahost-Konflikt durch die Annäherung der jungen Generation. Von der Zukunft als Projektion einer besseren Welt handelt unsere musikalische Produktion. In Hotel Savoy oder Ich holʼ dir vom Himmel das Blau setzen Heimat- und Staatenlose an den Grenzen Europas ihre Hoffnung auf einen amerikanischen Milliardär, der sie gleichsam als Messias von ihrem Schicksal erlösen soll. Ein schönes Leben in der Neuen Welt erhofft sich auch Karl Roßmann, der Protagonist aus Franz Kafkas Roman Amerika, der nach einer abenteuerlichen Odyssee am Ende als Techniker im Naturtheater von Oklahoma landet. Ob die Bühne als Sehnsuchtsort taugt, fragt Nis-Momme Stockmann in seiner Tour de Farce über die Theaterwelt Das Portal.

Bühnenvorhang

In Zeiten von Polyamorie und der Suche nach neuen Beziehungsmodellen steht auch die klassisch-monogame Paarbeziehung auf dem Prüfstand. Dario Fo und Franca Rame haben mit Offene Zweierbeziehung eine Farce geschrieben, in der die Ehefrau mit ihrem NochEhemann und dem Patriarchat abrechnet. Auch Astrid Lindgrens Ronja Räubertochter lässt sich als Emanzipationsgeschichte lesen und dient von jeher als role model. Mit seiner Komödie Was ihr wollt eröffnet der große Theatermagier William Shakespeare ein ambivalentes Spiel des Begehrens, in dem Geschlechterzuschreibungen und gesellschaftliche Hierarchien aus den Angeln gehoben werden. In Illyrien herrscht das erotische Delirium. Shakespeare stellt die Welt auf den Kopf und die Gegenwart infrage. Das allgemeine Weltgeschehen wird Harald Schmidt weiterhin infrage stellen. In seiner Spielzeitanalyse 23/24 wird er wie gewohnt spitzzüngig und mit großer Theaterleidenschaft auch die kommende Spielzeit am Schauspiel Stuttgart unter die Lupe nehmen. Immerhin bis zu 14 Minuten neuer Text sind versprochen, zusammen mit den Abräumern der letzten Saison. Der Vorverkauf für alle acht Termine beginnt bereits am 10. Juli. Das Kammertheater bleibt ein Ort der Experimente und widmet sich weiterhin jungen Talenten und neuer Dramatik. Im Foyer wird neben den bereits etablierten Formaten Kammer of Love und Krawall & Katharsis auch die Gesprächsreihe Generation.Konflikt in Kooperation mit der Robert Bosch Stiftung fortgesetzt. Zusätzlich wird die Kammer zweimal in der kommenden Spielzeit bei Toleranz & Tollerei von einer ganz neuen Seite zu erleben sein – als Tollhaus des Hip-Hops.

Die Öffnung des Theaters für mehr kulturelle Teilhabe für alle und noch mehr partizipative Angebote schreitet voran. Viele weitere Partnerschulen wurden gewonnen und nehmen rege die vielfältigen Angebote der Theatervermittlung wahr – von Workshops und Fortbildungen für Pädagog:innen, über Projekt- und Kulturtage (in Kooperation mit der Staatsgalerie Stuttgart), Theaterführungen und Probenbesuche. Die Mehrgenerationen-Spielclubs und Formate wie das Theaterlabyrinth oder EINMISCHEN werden weitergeführt und ausgebaut. Eine zusätzliche Kollegin wird das Team der Theatervermittlung ab der Spielzeit 2023/24 verstärken und weitere Kooperationsprogramme und Bildungspartnerschaften strategisch entwickeln und vorantreiben. Als neues Angebot gibt es ab der kommenden Spielzeit den Treff.Punkt, bei dem Zuschauer:innen, die alleine ins Theater kommen, mit anderen ins Gespräch kommen können. Außerdem ist als regelmäßige Veranstaltung im Schauspielhaus eine Bühnentechnik-Show geplant, die interessierten Besucher:innen zeigt, mit welchen technischen Mitteln der Theaterzauber erzeugt wird, und nebenbei Einblicke in die spannenden technischen Berufsbilder und Ausbildungsmöglichkeiten am Theater ermöglicht.

Für Jazz-Fans gibt es am 16. Dezember im Schauspielhaus eine große Christmas Gala mit Thomas Siffling, dem renommierten Jazztrompeter und künstlerischen Leiter des Mannheimer Jazzclubs Ella & Louis. Welche Vorstellung wir an Silvester zeigen, steht noch nicht fest. Geplant ist dieses Jahr aber wieder ein Silvesterprogramm mit Speis & Trank und Party. Die Spielpläne für September und Oktober sind ab sofort online. Der Kartenverkauf beginnt in der Regel jeweils datumsgenau zwei Monate vor der jeweiligen Vorstellung (Ausnahme Harald Schmidt, s.o.). Abonnements für die neue Spielzeit 2023/24 können ab dem 3. Juli gezeichnet werden.

Quelle / Mehr Infos: www.schauspiel-stuttgart.de

Print Friendly, PDF & Email

Promotion