Große Landesausstellung 2024: „Welterbe des Mittelalters – 1300 Jahre Klosterinsel Reichenau“

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20. April –20. Oktober 2024
Konstanz, Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg und Insel Reichenau

Dichter Nebel liegt früh am Morgen über dem Bodensee. Die Kontur der Insel mit den Silhouetten der alten Kirchtürme lässt sich nur vage erahnen. Ein schmaler Damm, flankiert von Platanen, bildet die einzige Verbindung zwischen dem Festland und der Insel. So abgeschieden und mystisch die Reichenau mitten im Bodensee auch erscheint: Im Mittelalter war sie eines der bedeutendsten kulturellen Zentren des Christentums, das entscheidend zur Blüte von Kunst, Wissenschaft und Bildung beitrug.

Plakat zur Großen Landesausstellung mit Abbildung der Ecclesia, Cod. Sal. IXb, Petershausener Sakramentar, fol 40v Universitätsbibliothek Heidelberg © Badisches Landesmuseum, Grafik: Danica Schlosser / Abb.: Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Sal. IXb, Petershausener Sakramentar, fol. 40v


Ab dem 20. April rückt die europaweite Bedeutung der Abtei durch die Große Landesausstellung „Welterbe des Mittelalters – 1300 Jahre Klosterinsel Reichenau“ in den Fokus des Interesses. Die Wandtexte im Archäologischen Landesmuseum Baden-Württemberg in Konstanz sind bereits platziert, die Leihgaben sorgsam verpackt und die Vitrinen bereit für die bevorstehende Ankunft der hochkarätigen Originale in den kommenden Wochen. Die Besucherinnen und Besucher erwartet ein Spektrum an Leihgaben und Themen, die nicht nur das Wirken des Reichenauer Konvents widerspiegeln, sondern die Klosterkultur des Mittelalters musterhaft vor Augen führen. Klostergründung und Architektur, Stifter und Heilige, Leben nach der Benediktsregel, Liturgie und Alltag – die Große Landesaustellung bietet ein umfassendes Bild des mönchischen Daseins auf der Reichenau.

Bereits im ersten Raum der Ausstellung machen wichtige Klostergründer vom Bodensee und Hochrhein sowie bedeutende Heilige der Insel als lebensgroße Skulpturen ihre Aufwartung: Pirmin, Ottmar, Gallus, Scholastika und der Heilige Benedikt. Letzterem zu Ehren hat das Badische Landesmuseum mit der Stiftsbibliothek in St. Gallen die Präsentation eines der wichtigsten Schweizer Zeitdokumente ausgehandelt: Die älteste erhaltene Handschrift der Benediktsregel im deutschsprachigen Raum wird zur Ausstellung nach Konstanz reisen – eine Wertschätzung des Jubiläums und die Fortführung einer Tradition des Austauschs, die bereits im Mittelalter begann.

Auch das Eintreffen der anderen Exponate, die ab Mitte März durch Kuriere begleitet werden, wird mit Spannung erwartet. Innerhalb von vier Wochen füllt sich die Ausstellung mit Kunstwerken von nationalem und internationalem Rang. Erstmals kehren jene Prachthandschriften an den Ort ihres Entstehens zurück, die im 10. und 11. Jahrhundert im berühmten Reichenauer Skriptorium für bedeutende Auftraggeber gefertigt wurden.

Die Leihgaben umfassen nicht nur fünf Handschriften aus dem spektakulären UNESCO-Weltdokumentenerbe, wie den Egbert-Psalter aus dem italienischen Museo Archeologico Nazionale in Cividale, sondern auch weitere äußerst seltene und kostbare Schätze. Das sogenannte Reichenauer Schulheft, von einem irischen Mönch am Bodensee verfasst, gilt mit seinen Vokabelübungen, mathematischen Notizen und einem Gedicht in altirischer Sprache über einen kleinen weißen Kater namens Pangur Bán bis heute als eines der wichtigsten erhaltenen Sprachzeugnisse des Altirischen. Ein weiterer Höhepunkt ist der Hillinus-Codex aus der Diözesan- und Dombibliothek in Köln mit der einzigen existierenden Darstellung des Hildebald-Doms, dem karolingischen Vorgängerbau des heutigen Kölner Domes.

Alltagsgegenstände wie ein kleines Elfenbeinwürfelchen zeugen vom einstigen Klosterleben und belegen, dass die Reichenauer Mönche ihre Freizeit auch mit Spielen verbrachten. Der wertvolle Andreas-Tragaltar aus Trier reist ebenfalls nach Konstanz und überrascht so manchen Besucher mit seiner Multifunktionalität. Der auffällige Altar barg einst besondere Reliquien: In einem geschmiedeten goldenen Fuß mit edelsteinbesetzten Sandalenriemchen war die Schuhsohle des heiligen Apostels Andreas verwahrt – im Inneren befand sich zudem ein Nagel vom Kreuz Christi sowie Reliquien des Apostelfürsten Petrus. Da die Bischöfe im Mittelalter praktisch veranlagt waren, konnte der Bischof diesen Schrein auf Reisen mitführen und unterwegs darauf die Messe feiern – ein faszinierendes Beispiel für „mobile Arbeit“ im Mittelalter.

Mittelalterliches Welterbe versus gelebte Verehrung heute: Wie eng die Geschichte der Reichenau und auch der anderen Klöster am Bodensee mit unserer Gegenwart verknüpft ist, zeigt die Tatsache, dass einige Originale, wie die Zeno-Büste aus Radolfzell oder das Armreliquiar der Heiligen Verena aus Zurzach während der Ausstellung kurzzeitig wieder an die Leihgeber zurückgehen. Die Kirchengemeinden und auch die Bürgerinnen und Bürger tragen sie bei Prozessionen durch die Städte und Örtchen. Danach kehren sie wieder in die Ausstellungsvitrinen nach Konstanz zurück. Auch auf der Reichenau finden mehrere Prozessionen z.B. zum Heilig-Blut- und dem Markusfest statt.

Die Große Landesausstellung „Welterbe des Mittelalters“ ist ein Gesamterlebnis: Die spektakuläre Ausstellung in Konstanz ist eng verknüpft mit den Originalschauplätzen auf der Reichenau. Die Bauphasen der drei mittelalterlichen Kirchen, die neu gestalteten Klostergärten, das Museum Reichenau sowie die Münsterschatzkammer können die Besucherinnen und Besucher u.a. durch ein modernes Führungssystem erleben. Ein speziell für die Ausstellung entwickelter kostenloser Reichenau-Guide bietet Audioführungen, Expertenvideos sowie vertiefende Informationen. Geboten wird zudem ein Hörspiel der Bestseller-Autorin Tanja Kinkel: Ihre ¬fiktiven Dialoge lüften intime Geheimnisse der Klostergeschichte. So kann man mit Walahfrid Strabo oder Hermann dem Lahmen im Ohr über die Klosterinsel schlendern und sich auf Spurensuche begeben. Und wer die Push-Nachrichten aktiviert, erhält regelmäßig von einem Mönch Updates zum klösterlichen Tagesablauf …

Auch in Karlsruhe ist das 1300-jährige Jubiläum präsent: Zwei Kooperationspartner präsentieren eigene Korrespondenzausstellungen: „Spurensuche – Eine Kriminalitätsgeschichte der Reichenau“ im Generallandesarchiv zeigt ab 26. April wertvolle Schätze aus dem Klosterarchiv. Im Zentrum der Präsentation steht das sogenannte Malefizbuch, das 150 Kriminalfälle aus den Jahren 1450 bis 1590 verzeichnet. Sie führen direkt hinein in die Lebensverhältnisse und Konflikte der Menschen in ihrer Zeit. Wie Schrift, Tinte, Pergament und die Gestaltung der Reichenauer Handschriften die zeitgenössische Kunst inspirieren, verrät die Ausstellung „Alte Bücher – neue Inspirationen. Künstlerische Blicke auf die Reichenauer Handschriften“ der Badischen Landesbibliothek ab 15. Mai. 13 Nachwuchskünstlerinnen und -künstler entwickeln Antworten auf die Frage, wie die Lesespuren eines Jahrtausends heute gedeutet werden können. Im Schloss Karlsruhe bietet das Badische Landesmuseum in seiner Mittelalter-Abteilung unter dem Titel „Nur beten und arbeiten?“ neue Perspektiven auf das mittelalterliche Leben im Kloster und im Alltag. Und auch das Archäologische Landesmuseum Baden-Württemberg in Konstanz zeigt ab 20. April eine Sonderausstellung mit dem passenden Thema „Archäologie & Playmobil – Mönche, Mission, Abenteuer“.

Große Landesausstellung 2024
Welterbe des Mittelalters – 13400 Jahre Klosterinsel Reichenau
20. April – 20. Oktober 2024
Konstanz, Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg und
Insel Reichenau
Di–So, Feiertage 10–18 Uhr
14 Euro, erm. 11 Euro, 6–17 Jahre 5 Euro

Quelle / Mehr Infos:
Badisches Landesmuseum
www.landesmuseum.de

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