Mythos Solitude Revival: Unterwegs mit zwei Legenden

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Mythos Solitude Revival: Unterwegs mit zwei Legenden

Anruf vom Porschemuseum: Ob ich Interesse hätte, mit dem Porsche 550 A Spyder während der Solitude Revival auf der Solitude-Rennstrecke unterwegs zu sein. Nicht als Beifahrer, sondern als Fahrer mit prominentem Beifahrer. Das treibt mir zunächst einen Kloß in den Hals …

Die ehemalige Solitude-Rennstrecke kenne ich schon lange, schließlich bin ich unweit davon in Stuttgart-Vaihingen aufgewachsen. Außerdem ist mein Vater in den späten 50er-Jahren dort mit dem Motorrad selbst Rennen gefahren. Im Jahr 1996 war ich mit ihm noch bei der Solitude Revival zu Besuch. Vor zwei Jahren war ich bereits als Beifahrer von „Ebs“ Mahle auf der Rennstrecke unterwegs, damals in einem Porsche 356 Carrera GT.

Schönstes Festival-Wetter unterstreicht das Nostalgie-Wochenende am 20. und 21.Juli unweit des Leonberger Autobahndreiecks und meißelt den Besuchern ein ständiges Lächeln ins Gesicht. Über vierhundert Wagen aus allen Generationen der Renngeschichte sind vor Ort, dazu Motorräder und Accessoires. Man fachsimpelt über dies und das, spricht mit Renn-Legenden und freut sich über lautstarke Motorensounds. Nicht wenige ältere Benzin-Junkies halten die Nase nahe an die Abgase der Wagen, um mal wieder verbleites Benzin zu riechen.

Sonntag Vormittag Ankunft im Porsche-Fahrerlager. Nach Begrüßung durch Mitarbeiter des Porsche-Museums erhalte ich eine erste Einweisung durch die Techniker. Dann setze ich mich zunächst zu Herbert Linge und unterhalte mich mit ihm. Beim Helmaussuchen treffe ich Strietzel Stuck, wir stoßen kurz mit einem Getränk an. Unser Durchgang steht an, passenderweise meinem Beifahrer gewidmet, der „Herbert Linge Sonderlauf“. Wir steigen ein, legen die Vierpunkt-Gurte an und starten den Wagen per Knopfdruck. Vier Zylinder und 1500 ccm machen ordentlich Krach. Wir rollen vor zur Startformation, warten auf das „Go“, rechts und links werden Fotos gemacht. Und Start, etwas schwergängig die Lenkung, auch die Bremse muss ich richtig fest treten wie ich sofort bemerke. Aber erst mal ist Gas geben gefragt. Die erste Runde fahre ich noch vorsichtig, die Rennstrecke birgt doch einige Kurven. Nach der ersten Vorbeifahrt an Zuschauertribüne, Start- und Zielturm und Kurve am Glemseck werde ich etwas mutiger. Ja, das macht mir Spaß und Herbert Linge offensichtlich auch. Viel zu kurz endet die Ausfahrt nach zwei Runden auf der 11,7 km langen historischen Naturrennstrecke. Der Adrenalinausstoß geht langsam zurück und ich freue mich, dass ich die beiden Legenden, den „James Dean Porsche“ und Herbert Linge unversehrt wieder ins Fahrerlager bringe. Wow, was für ein Erlebnis – Dank ans Porsche-Museum für den Gänsehaut-Effekt!

MK Schechler, N-News.de

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Weitere Links:
Solitude Revival https://solitude-revival.org/
Porsche Museum https://www.porsche.com/museum/de/

Unterwegs bei der Solitude Revival 2019 im Porsche 550 A Spyder: N-News.de Redakteur MK Schechler mit Beifahrer Herbert Linge

Datenblatt: Porsche 550 A Spyder
Baujahr: 1956
Motor: 4-Zyl. Boxer
Hubraum: 1498 ccm
Leistung: 135 PS (99 kW)
Höchstgeschwindigkeit: 240 km/h
Der berühmteste Fahrer des 550 Spyder heißt James Dean. „My little bastard“ nennt der Schauspieler den für den Rennsport gewollt aggressiv konstruierten 550. Der Wagen feiert Erfolge im Rennsport, aber weltberühmt macht ihn der Name seines Besitzers. Mit seinem privaten Spyder verunglückt der Rebell 1955 mit 24 Jahren tödlich auf dem Weg zur Rennstrecke im kalifornischen Salinas. Ein anderer Autofahrer nimmt ihm die Vorfahrt.

Herbert Linge
Der ehemalige Porsche Werksfahrer und Betriebsleiter des Entwicklungszentrums Weissach der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, Stuttgart, Herbert Linge, feierte im vergangenen Jahr seinen 90. Geburtstag, N-News.de gratulierte. Als Multi-Talent hat er die Entwicklung des Unternehmens Porsche während der vergangenen sieben Jahrzehnte nicht nur persönlich miterlebt, sondern auch mitgestaltet.

Die Karriere des Porsche-Urgesteins beginnt bereits im April 1943. Der damals 14-Jährige tritt als einer der ersten Auszubildenden in die Porsche KG ein. Nach der Rückkehr von Porsche aus dem österreichischem Gmünd nach Stuttgart im Jahr 1949 ist Linge der erste Mechaniker und an der Produktion des ersten in Stuttgart gebauten Porsche 356 beteiligt. 1952 entsendet ihn Ferry Porsche in die USA, wo er bis 1956 federführend beim Aufbau des Porsche-Kundendienstes mitwirkt.

Auch im Rennsport ist Herbert Linge aktiv. Etwa bei der Panamericana von 1952 bis 1954, wo er als mitfahrender Mechaniker für drei Klassensiege in Folge den mexikanischen Verdienstorden erhält. Unvergessen die Mille Miglia 1954 als Copilot von Hans Herrmann, als die beiden im 550 Spyder auf einen Bahnübergang zurasen und sich plötzlich die Schranke schließt. Herrmann und Linge ducken sich, passieren die Gleise unbeschadet.

Gleich mehrfach beendet Herbert Linge die Mille Miglia und die Targa Florio als Klassensieger, feiert Gesamtsiege bei der Rallye Lüttich-Rom-Lüttich, bei der Tour de Corse oder beim Marathon de la Route auf dem Nürburgring. Ganz besonders schlägt sein Herz aber für die 24 Stunden von Le Mans. Als Fahrer ist er elfmal dabei, kommt achtmal in Wertung und steht gleich mehrere Male als Klassensieger zuoberst auf dem Treppchen. Bis 1969 gehen nicht weniger als 90 Klassensiege und sechs internationale Rekorde auf sein Konto.

Doch Herbert Linge schreibt nicht nur Renn-, sondern auch Filmgeschichte: Als Double für Steve McQueen startet er 1970 beim 24-Stunden-Rennen mit einem zum Kamerawagen umfunktionierten Porsche 908. Danach wechselt Linge ins neu geschaffene Porsche-Entwicklungszentrum Weissach, wo er bis zum Ende seiner beruflichen Laufbahn 1987 als Betriebsleiter tätig ist. An der Planung und Konzeption des Porsche Standortes Weissach hat Linge von Beginn an maßgeblichen Anteil. Ende der 1950er Jahre konnte er Ferry Porsche von seiner Heimatgemeinde Weissach überzeugen.

Neben seiner anspruchsvollen Tätigkeit als Betriebsleiter engagiert sich Herbert Linge in besonderer Weise für die Sicherheit im Motorsport. Er gründet 1972 die Sicherheitsstaffel der Obersten Nationalen Sportkommission für Automobilsport (ONS). Die ONS-Staffel rettet vielen Rennfahrern das Leben und Herbert Linge erhält dafür 1982 das Bundesverdienstkreuz.

Auch als Ruheständler ist Herbert Linge von 1987 an weiter auf den Rennstrecken der Welt zu finden. Bis 1990 leitet er die ONS-Sicherheitsstaffel und bis 1993 den Porsche Carrera Cup. Mit Porsche ist Herbert Linge bis heute eng verbunden. Dank seiner seit 1950 ununterbrochen geführten Tagebuchaufzeichnungen ist er immer wieder ein verlässlicher Zeitzeuge und Teilnehmer bei Veranstaltungen im historischen Motorsport. Zuletzt im Mai 2018, als er sich im Rallye-Elfer aus dem Jahre 1965 auf den Bergstraßen der Rallye Monte Carlo auf Spurensuche begibt. Vor 53 Jahren hatte er dort zusammen mit dem späteren Porsche Rennleiter Peter Falk den ersten großen Motorsporterfolg für den noch jungen 911 eingefahren: Platz fünf bei der berühmtesten Rallye der Welt.

Porsche Museum mit legendären Fahrzeugen am Start
Heimspiel für Porsche: Am 20. und 21. Juli 2019 erwachte die „Solitude“, eine ehemalige Rennstrecke vor den Toren Stuttgarts, für ein Wochenende wieder zum Leben. Beim „Solitude Revival“ schickte das Porsche Museum für einige Demonstrationsrunden legendäre Rennwagen auf den abgesperrten Kurs, der nur 15 Kilometer südwestlich vom Stammwerk in Zuffenhausen entfernt liegt.

An den Start gingen unter anderem ein 550 A Spyder aus dem Jahr 1956, mit dem Hans Herrmann im gleichen Jahr die „Solitude“ bestritt, sowie der 356 B Carrera GTL Abarth (1961), den Rallyelegende Walter Röhrl pilotieren wird. Der 718 Formel 2 von 1960, der an das erste Formel-Rennen auf der „Solitude“ erinnert, ist ebenfalls auf dem Ring gefahren. Mit diesem Rennwagen belegte John Surtees beim „Großen Preis der Solitude“ 1960 den zweiten Platz. Zwei Jahre später hat hier Dan Gurney das Formel 1 Rennen im Porsche 804 (1962) gewonnen. Beim „Solitude Revival“ präsentiert ihn Neel Jani, Le-Mans-Sieger von 2016. Janis früherer Teamkollege Marc Lieb steuert ebenso wie Motorsportikone Hans-Joachim Stuck den 917 KH in Gulf-Farben von 1970.

Ein Besuch im Fahrerlager lohnte ebenso: Wer die früheren und heutigen Porsche-Rennfahrer einmal hautnah erleben wollte, hatte im Zelt des Porsche Museums die größten Chancen. Neben dem ehemaligen Porsche-Werksfahrer Herbert Linge, dem zu Ehren ein Sonderlauf der „Solitude Revival” seinen Namen trägt, war auch Rennlegende Hans Herrmann vor Ort. Ein Jubiläum feierte bei dieser Gelegenheit Eberhard Mahle: Vor 60 Jahren startete der Rennfahrer hier mit drei verschiedenen Autos. Von den drei Rennen hat er zwei gewonnen. Mit den beiden ehemaligen Porsche-Ingenieuren Günter Steckkönig und Hans Clausecker konnten die Besucherinnen und Besucher ebenfalls ins Gespräch kommen.

Das „Solitude Revival“ ist eine Veranstaltung zur Demonstration historischer Renn- und Straßenfahrzeuge auf dem ehemaligen Solitudering bei Stuttgart, der aus öffentlichen Verkehrsstraßen besteht und speziell zu diesem Anlass gesperrt wird. Mit dabei waren unter anderem Rennmotorräder und Rennmotorradgespanne bis 1979, Renn- und Sportwagen bis 1947, Rennsportwagen und Prototypen von 1948 bis 1979, GT- und Renntourenwagen von 1948 bis 1979 sowie Formel-Rennwagen von 1948 bis 1976.

Quellen u. a.: Porsche AG

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